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Am 24.05.2017 wurden wir, der Sozialkunde Leistungskurs der MSS 12, vom Bundestagsabgeordneten Gustav Herzog anlässlich des „Europa-Projekttags“ und unserer anstehenden Berlin-Exkursion besucht. Schon im Vorhinein überlegten wir uns Fragen hinsichtlich des Schwerpunktes „Europäische Union“, welche wir in die Unterthemen „Sozial-, Sicherheits-, Umweltpolitik und internationale Beziehungen“ gliederten.
Herr Herzog referierte zunächst über die Entstehung der EU und appellierte danach an uns Schüler, dass wir diejenigen sind, die dafür zu sorgen haben, dass die Europäische Union, so wie wir sie heute kennen, bestehen bleibt. Mit einer persönlichen Geschichte über ein kleines Mädchen, welches in der Nähe von Tschernobyl lebte, brachte er uns die Wichtigkeit des Schengen-Abkommens näher. Tanja reiste hin und wieder zu den Herzogs und als diese mit ihr einen Ausflug nach Frankreich machten, brach das Mädchen in Tränen aus, weil es offene Grenzen in diesem Sinne noch nie erlebt hatte. Tanja steckte bei ihrer Reise nach Deutschland nämlich viele Stunden an den Grenzkontrollen fest und wurde wie eine Verbrecherin behandelt.
Im Anschluss an diese Einleitung blieb uns noch circa eine Stunde um mit Herrn Herzog in Diskurs zu treten: Hinsichtlich der angespannten Situation Deutschlands zur Türkei und der Nachfrage, ob die Verhandlungen über den Beitritt zur EU überhaupt weitergeführt werden sollten, sagte Herzog ganz klar, dass die Überlegung zur Einführung der Todesstrafe für ihn ein Überschreiten der roten Linie bedeutet. Auf die Nachfrage, wie es mit der sehr eingeschränkten Meinungs- und Pressefreiheit aussehe, argumentierte er damit, dass Menschen im Gefängnis, im Gegensatz zu den durch die Todesstrafe hingerichteten Menschen, noch lebten und frei kommen könnten, weswegen für ihn die Todesstrafe ein ganz klares Ausschlusskriterium sei. Im Streit um das Besuchsrecht von Bundestagsabgeordneten bei deutschen Soldaten in Incirlik ist Herzog zweifellos der Meinung, dass es den Politikern erlaubt sein sollte, wann immer sie wollen, die Bundeswehr bei ihren Auslandseinsätzen zu besuchen. Er ist überzeugt davon, dass Deutschland von der Türkei nicht abhängig ist, da beispielsweise Jordanien ein Angebot an Berlin machte. Die Einführung der Maut ist für Herzog „Stammtischgelaber“ der CSU. Laut ihm ist dies eine Trotz-Reaktion der Bayern, die Maut bezahlen müssen, wenn sie durch Österreich in Urlaub fahren und deswegen auch eine Maut bei uns befürworten. Eine weitere private Geschichte führte uns zum Thema Sozialpolitik. Herr Herzog erzählte von einem Ein-Euro-Jobber, der kläglich in seinem Büro weinte, weil sein befristeter Arbeitsvertrag endete. Für den Politiker hat „Arbeit“ einen hohen Stellenwert, denn so bekäme man beispielsweise einen geregelten Arbeitstag. Auf das Gegenargument, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen aber dazu beitrage, dass man eher einen Beruf ausübe, den man von Herzen liebt, als einen, bei dem das Einkommen passt, antwortete Herzog: „Meine Tochter hat gerade den Bachelor im Bereich Sozialarbeit gemacht und hat auch Stellenangebote mit guter Bezahlung bekommen. Also, werden sie doch auch Sozialarbeiter, wenn ihnen das Spaß macht, denn gute Pädagogen braucht das Land!“
Anlässlich der Sicherheitspolitik der EU ist Herr Herzog der Auffassung, dass es von Dringlichkeit ist, dass die Europäische Union harmonisiert, da alles andere außerhalb immer mehr an Kraft gewinnt. Dennoch lehnt er beispielsweise eine EU-Armee ab. Weiter begründete er die Nutzung von Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen damit, dass das Material binnen 48 Stunden gelöscht werde, käme es zu keinem gravierenden Vorfall. Herzog konterte auf die Behauptung, dass man sich unwohl fühle, wenn man überall auf Schritt und Tritt verfolgt werde, damit, dass man sich als Frau doch noch unwohler fühle, wenn man nachts allein am U-Bahnhof stände und wüsste, dass man keine Hilfe erwarten könne. Positiv gesinnt ist der seit 1998 Abgeordnete des Bundestags aber gegenüber der Umweltpolitik Deutschlands, die er, als SPD Politiker, der damaligen Rot-Grünen Regierung zuschreibt. Deutschland sei Spitzenreiter innerhalb Europas hinsichtlich Innovationen im Bereich der erneuerbaren Energien. Obwohl Deutschland so schnell ist, seien die Chinesen aber ein großes Problem, da diese alles sehr schnell und sehr günstig nachbauen würden. Zur letzten Frage, nämlich der über die Legalisierung von Cannabis (musste kommen ☺ ), wusste Herzog sich noch nicht genau in eine Richtung einzuordnen. Er wolle lieber die Zeit abwarten und beispielsweise die Bundesstaaten in den USA beobachten, die Cannabis vor kurzer Zeit legalisierten.
So endeten die 90 Minuten mit dem Bundestagsabgeordneten recht zügig und der gesamte Kurs war sehr zufrieden mit den ehrlichen Antworten des Politikers, die konkreter waren als zunächst von einigen von uns befürchtet wurde.
Lea Volk